Prolog: Erinnerung
Shaya Remith lag auf ihrem Bett und dachte nach. Sie dachte viel nach in letzter Zeit. Auch wenn man die letzte Zeit als elf Jahre bezeichnen musste. Sie hatte auch viel Stoff, über den man nachdenken konnte.
Den Tod ihrer Schwester. Den Verrat ihres Schwagers. Ihre Nichte, um die sie sich kümmerte und die gerade wahrscheinlich die Kröte jagte und auf ihrem Besen die ganzen Gläser und Vasen unsicher machte.
Inzwischen war sie 35 und man sollte meinen sie hätte den Tod ihrer Schwester vergessen, oder sei zumindest darüber hinweggekommen.
Doch Shaya ging es noch immer genau so schlecht wie schon am Anfang. Dies lag vor allem an ihren Schulgefühlen. Sie war noch immer der Meinung, dass sie an dem Tod ihrer Schwester Schuld gewesen sei. Sie dachte an die Nacht zurück, in der das schreckliche passiert war.
FLASHBACK
Sie stolperte in den Raum, in dem ihre Schwester schlief. Die Heiler waren gegangen und hatten gesagt, dass sie nichts mehr tun konnten. Ihre Mutter, ihr Vater und ihr Bruder hatten sie alle davon abhalten wollen, die sterbende Gianna noch einmal zu besuchen. Auf keinen hatte sie gehört.
Shaya war immer ein mitfühlendes Mädchen gewesen. So, dass sie nicht hinnehmen konnte, dass so viele Menschen, eine Frau, die im achten Monat schwanger war, einfach dem Tod überließen. Für sie war so etwas grausam.
Sie trat an das Bett und hielt die Hand ihrer Schwester ganz fest. „Alles wird gut.“, flüsterte sie, obwohl sie wusste, dass es nicht die Wahrheit war. Die Heiler hatten gesagt, dass sie nur durch einen trank gerettet werden könnte, der zwei Monate ziehen müsste. Allerdings war eben dieser Zaubertrank verboten und hoch gefährlich, so dass ihn keiner auf Vorrat hatte.
Ihr fiel keinen ein, zu dem sie ihre Schwester hätte bringen können. Keiner, den die Heiler nicht auch kannten. Sie zermarterte sich das Hirn um doch noch einen zu finden und da kam ihr die rettende Idee. Auch wenn Severus Snape Gianna verabscheute, war er ihre letzte Chance.
Sie hatte großes Glück, dass es gerade Sommer war, und dass sie genau wusste, wo Snape wohnte. Also apperierte sie nach Spinners End und fand einen recht verdutzen Snape vor sich. Sie freute sich zum ersten Mal überhaupt ihn zu sehen. Sie hielt sich nicht mit Erklärungen auf sondern sagte nur: „Gianna liegt im Sterben. Du musst ihr helfen Severus, du musst sie retten.“ Snape sah sie nur leicht verwirrt an. War sein Hass so weit ausgereift, dass er sie ohne weiteres sterben lassen würde? Shaya wusste es nicht.
Doch sie hatte keine Zeit mehr also beschloss sie ihn zu drängen. „Sie ist im achten Monat schwanger, Severus. Sie trägt ein Kind in sich. Wenn du sie nicht retten willst, dann das Kind.“, sagte sie nun mit starker undurchdringbarer Stimme. Snapes Augen weiteten sich für einen Moment, dann ging er in einen versteckten Raum und kam mit drei Phiolen wieder zurück.
Shaya wusste, sie hatte gewonnen und ein Ansatz eines Lächelns umspielte ihre Lippen. Dann griff sie nach Snapes Arm und brachte ihn zu Gianna. Dort machte sich der Tränke meister sofort an die Arbeit. Shaya lies ihn arbeiten. Sie sah selbstzufrieden aus. Sie hatte es geschafft, sie hatte ihre Schwester gerettet.
Snape brauchte keine Viertelstunde und Gianna öffnete die Augen. Sie sah zuerst ihn an, bestürzt und wütend, dann huschte ihr Blick zu Shaya und ihre Miene wurde liebevoll. Dann streichelte sie kurz über ihren Bauch.
Doch Snape hatte keine Zeit verloren. Er hatte sich vergewissert, dass es ihr wieder gut ging und war dann sofort wieder verschwunden. Shaya hatte sich noch bedanken wollen, aber er hatte ihr keine Gelegenheit dazu gegeben.
Die nächste Zeit war eine glückliche. Shaya bekam eine Nichte die den Namen Thyra Brooke Remith erhielt. Snape hatten sie seit seiner Heldentat nicht mehr gesehen. Erst als Thyra ein Jahr alt wurde, kam er plötzlich zu Gianna. Shaya passte an dem Abend auf Thyra auf, damit Gianna sich mit Snape aussprechen konnte.
Doch als die beiden auch gegen eins nicht mehr zurück gekommen waren, lies Shaya ihre Mutter bei der kleinen und ging Gianna suchen. Sie fand sie auf der Straße in der Nähe einer Bar. Sie lag auf dem Boden. Von Snape war keine Spur. Shaya rannte zu ihrer Schwester. Ihr Herz schlug noch ganz schwach.
Als sie Shaya sah, redete sie schnell. „Shaya, kümmere dich um Thyra. Lass nicht zu, dass ihr Vater sie nimmt. Ich hasse ihn, dass weißt du. Lass nicht zu dass Severus Snape meine Tochter in die Hände bekommt.“, sie flüsterte und es sah aus als kostete es sie ihre gesamte Kraft, diese Worte zu sagen. Shaya konnte nicht anders, sie versprach sich um ihre kleine Nichte zu kümmern. „Gut.“, flüsterte Gianna noch einmal. Dann schloss sie die Augen. „Ich liebe dich, Shaya. Vergiss das nicht. Niemals.“, sagte sie noch und dann wurde sie schlaff und reglos. Sie war Tod.
Tränen rannen über Shayas Wangen. Sie konnte sie nicht zurückhalten. Sie saß da auf der Straße und weinte um ihre Schwester. Noch während sie die grenzenlose Trauer überkam, schwoll auch eine Wut in ihr auf. Eine Wut auf Severus Snape. Sie war der Überzeugung, dass er es war, der den Tod ihrer Schwester herbeigerufen hatte.
Sie trug Giannas Körper nach Hause zu ihren Eltern. Zum Glück war Thyra am schlafen, so merkte sie nichts davon, dass ihre noch übrige Familie um ihre Mutter weinte und ihrem Vater Rache schwor.
Thyra wuchs bei Shaya auf. Sie betrachtete sie wie eine Mutter. Niemand erzählte ihr von ihrem Vater. Niemand erzählte ihr von dem Tod ihrer Mutter. Denn die einzigen Menschen, die davon wussten, würden dieses Geheimnis mit ins Grab nehmen.
FLASHBACK ENDE
Es klopfte und Shaya hob den Kopf. „Herein.“, sagte sie in neutraler Stimme. Die Tür wurde geöffnet und herein kam Thyra, die inzwischen schon elf Jahre alt war, mit einem Brief in der Hand. „Mum, ich hab den Brief bekommen. Ich bin in Hogwarts aufgenommen worden.“, rief sie freudig und rannte auf Shaya zu, um sie zu umarmen.
„Super, Schatzt, aber du weißt doch, dass du mich nicht so nennen sollst. Ich bin nicht deine Mutter.“, sagte die angesprochene leicht tadelnd. Thyra nickte nur ungeduldig. „Wann gehen wir denn in die Winkelgasse?“, fragte sie ganz aufgeregt ihre Tante. „Zieh dich an, dann können wir gleich los.“, sagte Shaya lächelnd. Sofort flitzte Thyra aus dem Raum, den Brief noch immer in ihrer Hand.
Shaya seufzte laut auf. Jetzt war es also passiert, ihre kleine Nichte, würde nach Hogwarts gehen. An die Schule, wo ihr Vater unterrichtete. Wo der Mörder ihrer Mutter den Schülern beibrachte Zaubertränke zusammen zu mischen. Sie hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde und auch hatte sie gewusst, dass sie, wenn es so weit war eine Lösung finden musste. Doch jetzt hatte sie andere Sorgen. Sie musste mit der aufgeregten Tochter ihrer Schwester Zaubersachen einkaufen gehen.
Sie musste allerdings stolz auf sich und auf ihre Schwester sein. Thyra hatte so gut wie gar nichts von Snape geerbt. Lediglich die schwarzen Haare und das undurchdringbare Gesicht, hatte sie von ihrem Vater. Sonst war sie ein höfliches, nettes und kreatives Mädchen, das sich mit fast allen schnell anfreundete. Ihre braunen Augen, hatte sei auch von ihrer Mutter und sie konnte mit eben jenen einen erstklassigen Hundeblick aufsetzen durch den sie bei allen, außer ihrer Tante alles bekam, was sie wollte.
2. Einkaufen
„Komm schon, Tante Shaya. Wir sind bestimmt schon zu spät.“, rief Thyra in einem quengelndem Tonfall. Sie gingen die Straße Richtung des tropfenden Kessels entlang und Shaya, die schon schneller ging, als sie es sonst täte, war für ihre Nichte noch immer zu langsam.
„Ganz ruhig Thyra, wir sind noch zu früh. Wir wollten erst in fünf Minuten da sein. Außerdem kommen sie doch immer zu spät, dass weißt du doch.“, sagte sie beschwichtigend zu dem kleinen Mädchen und nahm sie an die Hand. Manchmal war sie wirklich nerv tötend. Vor allem wenn sie aufgeregt war. Der tropfende Kessel kam in Sicht und Thyra machte Anstalten loszulaufen, doch ihre Tante hielt sie fest. „Bleib bei mir Thyra, wir sind noch früh genug da.“, sagte sie mit, wie sie hoffte, freundlichem und beruhigendem Ton.
Als sie endlich den Pub erreichten legte sich die Aufregung von Thyra etwas. Sie war noch nie hier gewesen und beobachte alles gespannt. Shaya setze sich auf einen Stuhl am Tresen, von wo sie Thyra immer im Auge behalten konnte, bei ihrer Entdeckungsreise. Sie wurde von Tom in ein Gespräch verwickelt, bei welchem sie nicht richtig zuhörte und nur Smal-Talk erwiderte.
Als die Personen, auf die Thyra so dringend wartete, zur Tür herein kamen, konnte Shaya sich losreißen. Doch ihre Nichte hatte sie ebenfalls bemerkt. Mit einem lauten Schrei lief sie auf ihren Onkel, ihre Tante und ihren Cousin zu. Shaya lächelte und ging ebenfalls auf ihren Bruder, seine Frau und ihren Neffen zu. „Hallo, Bruderherz. Silvana.“, begrüßte sie die beiden, während Thyra sich mit Elia unterhielt.
Shayas Neffe war ebenfalls elf, auch wenn er ein paar Monate jünger als Thyra war, sah man es ihm nicht an. Im Gegenteil, wenn man die beiden beobachtete, dann würde man darauf tippen, dass Elia etwa zwei Jahre älter wäre als seine Cousine.
Es freute Shaya, dass sich Thyra so gut mit Elia verstand. Auch wenn sich die beiden nur selten sahen, weil sie etwas weiter weg wohnten. Doch Jack und Silvana wohnten in Godrics Hollow, welches in einiger Entfernung zu Hogsmeat lag.
Das Dorf Hogsmeat hatte Shaya extra als Wohnort gewählt um Thyra auch in Hogwarts im Auge zu behalten. Doch sie hatte sorgsam darauf geachtet, dass weder sie noch Thyra aus dem Haus gingen, wenn die Schule einen Ausflug dorthin unternahm.
Sie nickte den beiden anderen Erwachsenen zu und sie gingen, die Kinder vor sich her schiebend, in die Winkelgasse. Als sich das Tor dorthin öffnete, staunten Thyra und Elia nicht schlecht. Beide waren noch nie zuvor in der Winkelgasse gewesen.
Während die fünf durch die Gasse liefen, hatte Shaya die Möglichkeit sich ein bisschen mit ihrem Bruder zu unterhalten. Unterdessen passte Silvana auf, dass die beiden kleinen nicht verloren gingen.
„wo habt ihr eigentlich Mercedes gelassen?“, fragte sie Jack interessiert. Ihre andere Nichte war fünf Jahre alt und total knuffig. „Die ist Zuhause bei der Babysitterin. Wir wollten sie ja mittnehmen, aber Elia meinte es sei ungerecht, dass er die Winkelgasse erst mit elf sehen durfte und sie schon mit fünf. Also haben wir sie da gelassen.“, erklärte er knapp.
Dann redete er etwas leiser. „Was ist denn jetzt mit Thyra? Sie hat keine Ahnung, oder?“, fragte er mit etwas Angst in der Stimme. Shaya sah in bestürzt an. „Wie schön, dass du mich für so verantwortungslos hältst.“, zischte sie leicht. Er hob abwehrend die Hände. „tut mir Leid, Sha. Ich hab nur gefragt.“ Doch dann mussten sie ihr Gespräch beenden, denn sie betraten den ersten Laden.
Die beiden Kinder waren so aufgeregt, dass sie den Erwachsenen kaum noch eine freie Minute ließen. „Tante Shaya, Kann ich dieses Buch haben, bitte?“, fragte Thyra und wedelte mit einem dicken Buch vor Shayas Nase herum. „Lass mich doch mal sehen, Thyra.“, bat diese ihre Nichte mit leicht genervter Stimme. Das Buch hieß: Die gefährlichen Kreaturen der Magie und die Wege sie zu besiegen. „Nein, ganz sicher nicht, mein Schatz.“, sagte sie und stellte das Buch wieder an seinen Platzt im Regal.
Thyra schaute enttäuscht. Doch Elia brachte sie auf andere Gedanken, indem er ihr ihre Schulbücher unter die Nase hielt. Zum allgemeinen erstaunen, war Thyra vor allem von Geschichte der Zauberei beeindruckt. Doch kaum waren sie wieder aus dem Buchladen, brachte Elia das nächste Problem.
„Shaya?“, fragte Thyra erneut laut und in fragendem Tonfall. „Bekomme ich eine Katze?“ fragte sie. Shaya starrte ihre Nichte an. Sie wollte eine Katze? Wollten die Kinder nicht sonst immer Eulen, oder hatte sie da etwas missverstanden? Doch wenn sie so darüber nachdachte, hatte Thyra noch nie Post bekommen und sie wohnten in Hogsmeat, was hieß, dass sie keine Eule brauchte. Also nickte Shaya nur. Sofort hüpfte ihre Nichte in die Höhe. „Juhu!! Danke Tante Shaya!“, rief sie.
Doch auch Jack war es nicht besser ergangen. „Dad?“, fragte Elia, kaum, dass Shaya ihr Einverständnis für eine Katze gegeben hatte. „Ich will eine Eule, darf ich?“, fragte er hoffnungsvoll. Doch es war seine Mutter die antwortete: „Mal sehen Schatzt.“, sagte sie liebevoll. Elia sah ein wenig enttäuscht aus, redete aber weiter mit Thyra.
Es wurde ein sehr anstrengender Tag, der dank Shayas Bruder gegen Ende noch schlimmer gemacht wurde. Ja die beiden hatten nie aufgehört sich wie großer Bruder und kleine Schwester zu behandeln. Sie neckten sich noch immer sehr gern. Also verdankte Shaya ihrem Bruder diese Situation.
„Onkel Jack hat ja gesagt.“, quengelte Thyra. Shaya sah zu ihrem Bruder und in ihren Augen stand geschrieben. Das wirst du mir noch büßen. Nun kam auch noch Elia zu ihr. „Ach bitte Tante Shaya, nur für eine Nacht. Wir fahren ja auch morgen schon nach Hogwarts, da ist es besser, wenn wir schon in Hogsmeat sind.“, sagte er in der gleichen Tonlage wie seine Cousine.
Shaya seufzte. „Nun gut, ihr Quälgeister, ich rede mit Jack.“, sagte sie. Die beiden schauten sich siegessicher an. „Du, bist ganz schön gerissen Bruderherz.“, sagte sie lächelnd zu ihm. „Ich erlaube es nur, wenn ihr morgen kommt und zwar alle, damit wir noch einen Nachmittag zusammen verbringen können.“, sagte sie dann doch.
Jacks Augen verengten sich zu schlitzen doch noch bevor er antworten konnte, mischte sich seine Frau mal wieder ein. „Ja, klar kommen wir.“, sagte sie nett. „Silvana, ich liebe dich.“, sagte Shaya und umarmte ihre Schwägerin. „Ich würde sagen bis morgen nicht war?“, sagte sie lächelnd.
Gerade als sie sich umdrehte murmelte Jack. „Du bist immer noch so frech, wie du es schon immer warst, Süße.“, Shaya lachte nur und ging zu den beiden um sie nach Hause zu bringen.
Die beiden spielten noch lange Zeit. Shaya machte sich nicht die Mühe sie ins Bett zu schicken, denn sie hatten den Luxus, am nächsten morgen so lange schlafen zu können, wie sie wollten, da sie erst gegen Abend am Bahnhof erscheinen mussten.
Sie saß unten, hörte wie die beiden spielten und sie war mal wieder stolz auf sich, dass sie es geschafft hatte Thyra alleine groß zu ziehen. Sie zu biegen und zurecht zu stutzen. Aber am meisten freute sie sich, dass sie es zehn Jahre geschafft hatte, vor Thyra das Geheimnis ihres Vaters geheim zu halten.
. Die Reise in die Hölle der Mutter.
Der Abend war ein Horror geworden. Die beiden hatten erst dann Ruhe gegeben, als Shaya gedroht hatte, Elia noch nach Hause zu bringen. Was ihr natürlich einige Lästereinen eingebracht hatte, die man von Kindern gewohnt war. Als sie eine fast schlaflose Nacht hinter sich gebracht hatte, stand Shaya schon früh auf und machte Frühstück. Ein richtiges Luxusfrühstück, so wie es in Hogwarts immer gab.
Dann ging sie extra noch schnell zum Honigtopf direkt gegenüber und kaufte zwei große Portionen Süßigkeiten ein. Die Packte sie den beiden mit einer Nachricht in die Koffer, die sie schon am Tag zuvor gepackt hatten. Thyras Besen, musste sie zuhause lassen, da es Erstklässlern verboten war einen in die Schule zu bringen. Dann schrieb sie einen Brief an Hagrid, indem sie fragte, wann genau sie die beiden am Bahnhof abgeben solle.
Schließlich ging sie hoch um die beiden zu wecken. Wie sie erwartet hatte, wollten weder Nichte noch Neffe aufstehen. Also ging sie wieder, machte aber beim hinausgehen, dass grelle Licht in Thyras Zimmer an. So machte sie es immer, wenn ihre Nichte nicht aufstehen wollte.
Sie saß unten und hackte auf einer Liste alles ab, was sie an dem heuteigen Tag noch machen musste. Damit war sie eine halbe Stunde beschäftigt. Dann fiel ihr auf, dass die beiden noch immer nicht unten waren.
Also stieg sie erneut die Treppen hinauf und dachte dabei darüber nach, nachher nochmal bei Jack anzurufen um die Uhrzeit ihres Eintreffens herauszufinden. Sie stand in Thyras offener Tür und klopfte trotzdem noch einmal gegen den Rahmen. Die beiden lagen mit den Köpfen unter den Kissen da und schliefen weiter. Shaya lächelte und ging wieder. Sie konnten noch eine Stunde liegen bleiben, wenn sie wollten.
Da klingelte es an der Tür. Sie schaute ein wenig überrascht drein. Wer konnte das sein? Hatte sie vielleicht Muggelpost bekommen? Nein konnte sie sich nicht vorstellen. Doch da kam ihr ein Einfall. Sie rannte die Treppen hinunter und öffnete die Tür. Davor stand ein zerzaust wirkender Jack, eine fröhliche Silvana und eine kleine, übers ganze Gesicht grinsende Mercedes. Shaya lachte laut auf, als sie ihren Verdacht bestätigt sah.
Ganz offenbar hatte Silvana Jack in aller Frühe aus dem Bett geworfen, um früh hier zu sein. Ja sie hatte die Frau ihres Bruders immer gemocht. Der einzige Nachteil war, dass Jack unausgeschlafen eine furchtbare Laune hatte. Das war schon immer so gewesen, schon in ihrer Kindheit. „Hi, ihr seid aber früh. Bist du zum Frühaufsteher mutiert, Brüderchen?“, fragte sie neckend und machte ihnen Platzt.
Jack funkelte sie nur an und trat dann, ohne ein Wort zu sagen ein. Silvana umarmte Shaya kurz und trat dann ebenfalls ein. Doch Mercedes begrüßte ihre Tante anders. „Tante Shaya!“, rief sie so laut, dass die beiden oben bestimmt wach geworden waren. Ihre blonden Engelslocken flogen um ihren Kopf als sie auf Shaya zu rannte.
Angesprochene breitete ihre Arme aus und lies ihre kleine Nichte hinein fliegen. „Na, meine Süße?“, fragte sie lächelnd und schaute in das niedliche Gesicht von Mercedes. „Jetzt hast du bestimmt deinen Bruder und deine Cousine aufgeweckt.“
Die kleine lachte nur laut und schallend auf. „Macht nichts. Lia schläft sowieso zu viel.“, sagte sie entschieden. Shaya lachte mit ihr und hörte hinter sich jemanden die Treppen hinunter kommen. Sie blickte sich um und sah Thyra und Elia, die beide, mit müden Gesichtern recht komisch aussahen. „Mensch Mercedes, kannst du nicht noch lauter brüllen?“, fragte Elia in ironischem Tonfall.
Alle Anwesenden mussten lachen. Shaya lies Mercedes runter und sie rannte sofort zu ihrem älteren Bruder. „Hallo, Lia.“, rief sie dabei. Thyra schaute von Mercedes zu einem Elia, der ziemlich rot geworden war. „Lia?“, fragte sie amüsiert. Elia schaute sie nicht an sondern wandte sich an seine Eltern. „Warum seid ihr denn schon so früh gekommen? Wir waren doch noch am schlafen.“
Jack sah aus als ob er etwas erwidern wollte, doch Shaya kam ihm zuvor. „Das ist der letzte Tag, wo wir noch zusammen sind, bevor ihr in die Schule geht, Eila. Deine Eltern wollten einfach so viel wie möglich davon haben, nicht war Jack?“, wandte sie sich an ihren Bruder.
Er brummte nur. Doch Silvana ging zu Elia und nahm ihn in den Arm. Elia sah so aus, als wäre ihm das peinlich, aber Thyra machte die Situation wett indem sie zu Shaya kam, sie in den Arm nahm und auf die Wange küsste. Ja manchmal hatte Shayas kleine Nichte mehr Taktgefühl, als so mancher anderer Erwachsener.
Es wurde ein schöner Nachmittag, bei dem die Kinder spielten und die Erwachsenen sich unterhielten. Mercedes war immer schon eine kleine Nervensäge gewesen, wie das so in dem Alter war. Doch Thyra schaffte es sie jedes Mal zu beruhigen.
„Und du wohnst jetzt trotzdem weiter hier, wenn Thyra in Hogwarts ist?“, fragte Silvana Shaya ein wenig besorgt. Diese nickte nur. „Ja, ich muss es tun, um für sie da zu sein, wenn sie mich braucht.“, antwortete sie ernst. Doch in Gedanken dachte sie den Satz weiter. …und das dürfte schon sehr bald der Fall sein. Silvana nickte nur. „Das ist wirklich nett von dir.“, sagte sie noch, aber in einem Ton, als wäre das Thema jetzt abgeschlossen.
Als schon fast der Abend anbrach, trat die Aufregung bei den beiden elfjährigen wieder so stark in den Vordergrund, dass an spielen nicht mehr zu denken war. Nun schienen sich auch die Ängste breit zu machen, die fast jedes Kind vor dem Eintreffen in Hogwarts hatte. Die Häuserwahl. Elia saß bei seinen Eltern auf dem Schoß, Thyra saß bei Shaya auf dem Schoß.
„Tante Shaya, ich habe Angst.“, flüsterte Thyra ihrem Vormund zu. Shaya drückte sie an sich. „Du musst keine Angst haben, mein Schatz. Es wird alles gut werden.“, sie hatte Thyra, um sie nicht unter Druck zu stellen, nicht gesagt, in welchem Haus sie gewesen war. „Shaya, sagst du mir bitte, bitte, in welchem Haus du gewesen bist, als du in Hogwarts warst?“, fragte Thyra hoffnungsvoll.
Shaya überlegte, ob sie es sagen sollte. „Ich war in Ravenclaw, aber deine Mutter war in Gryffindor. Auch Onkel Jack, war in Ravenclaw.“, verriet sie dann doch. Thyra schaute ein wenig fröhlicher. „Ich hoffe ich komme nach Ravenclaw.“, sagte sie dann mit leiser Stimme. Shaya hielt es nicht für ratsam ihr mitzuteilen, dass sie das nicht glaubte, also strich sie mit ihrer Hand über Thyras Haar.
Als en anfing zu dämmern begannen die beiden sich anzuziehen. Hagrid würde sie abholen, bevor er die anderen vom Bahnsteig abholte. So standen die beiden da, fest eingemummelt in ihre Klamotten und ihre schweren Koffer hinter sich herziehend. Thyra und Elia standen am Fenster und warteten ob Hagrid endlich kommen würde. Als sie seine Große Gestallt am anderen Ende der Straße sahen flitzten die baldigen Erstklässler noch ein letztes Mal zu ihren Eltern zurück. Thyra hatte Tränen in den Augen, als sie Shaya umarmte. „Du, musst mir jeden Tag einen Brief schreiben.“, bat sie ihre Tante. Shaya nickte nur. Dann rannte Thyra noch einmal zu Jack und Silvana um sich auch von ihnen zu verabschieden. Elia kam zu Shaya. „Bis bald, Tante Shaya.“, sagte er ein wenig leise. Sie drückte ihn an sich. „Pass auf Thyra auf Elia.“, flüsterte sie ihm zu, war sich aber nicht sicher ob er es gehört hatte.
Dann klopfte es an die Tür und Hagrid kam herein. „Shaya.“, er nickte ihr zu. „Hallo, Hagrid.“, begrüßte Shaya den Wildhüter. Dann schob sie Thyra zu ihm hin. Sie rannte auch sofort zu ihm, um ihn zu begrüßen. „Hi, Hagrid. Es ist endlich so weit. Heute komm ich endlich nach Hogwarts.“, rief sie ihm zu. Elia hielt sich etwas im Hintergrund, er hatte Hagrid noch nie zuvor gesehen.
Doch Silvana nahm ihn an die Hand und brachte ihn zu dem Halbriesen. „Das ist Hagrid, Elia. Der ist total nett. Er wird dich und Thyra nach Hogwarts bringen.“, erklärte sie ihrem Sohn lächelnd. „Ja und wir müssen uns ein bisschen beeilen, der Zug kommt in zehn Minuten an und wir müssen eher da sein.“, sagte Hagrid. „Komm schon, Elia. Ich kenne Hagrid, er kommt öfters hierher. Er ist nett.“, machte Thyra ihrem Cousin Mut.
Schließlich ging Elia dann doch mit Hagrid mit und die beiden ließen die Erwachsenen hinter sich. Mercedes weinte laut, als sie ihren Bruder gehen sah. Doch Jack schaffte es sie zu beruhigen. Silvana redete mit Shaya. „So schnell vergeht die Zeit, nicht war. Aber sie werden es schon schaffen.“ Shaya nickte. Sie hatte sich vor diesem Tag gefürchtet, hatte aber gewusst, dass sie nichts ändern konnte. „Ich hoffe nur, das Thyra nicht nach Slytherin kommt. Dort wäre sie ihrem Vater zu nahe.“, sagte sie dann. Silvana nickte und nahm ihre Schwägerin in den Arm.
Shaya Remith lag auf ihrem Bett und dachte nach. Sie dachte viel nach in letzter Zeit. Auch wenn man die letzte Zeit als elf Jahre bezeichnen musste. Sie hatte auch viel Stoff, über den man nachdenken konnte.
Den Tod ihrer Schwester. Den Verrat ihres Schwagers. Ihre Nichte, um die sie sich kümmerte und die gerade wahrscheinlich die Kröte jagte und auf ihrem Besen die ganzen Gläser und Vasen unsicher machte.
Inzwischen war sie 35 und man sollte meinen sie hätte den Tod ihrer Schwester vergessen, oder sei zumindest darüber hinweggekommen.
Doch Shaya ging es noch immer genau so schlecht wie schon am Anfang. Dies lag vor allem an ihren Schulgefühlen. Sie war noch immer der Meinung, dass sie an dem Tod ihrer Schwester Schuld gewesen sei. Sie dachte an die Nacht zurück, in der das schreckliche passiert war.
FLASHBACK
Sie stolperte in den Raum, in dem ihre Schwester schlief. Die Heiler waren gegangen und hatten gesagt, dass sie nichts mehr tun konnten. Ihre Mutter, ihr Vater und ihr Bruder hatten sie alle davon abhalten wollen, die sterbende Gianna noch einmal zu besuchen. Auf keinen hatte sie gehört.
Shaya war immer ein mitfühlendes Mädchen gewesen. So, dass sie nicht hinnehmen konnte, dass so viele Menschen, eine Frau, die im achten Monat schwanger war, einfach dem Tod überließen. Für sie war so etwas grausam.
Sie trat an das Bett und hielt die Hand ihrer Schwester ganz fest. „Alles wird gut.“, flüsterte sie, obwohl sie wusste, dass es nicht die Wahrheit war. Die Heiler hatten gesagt, dass sie nur durch einen trank gerettet werden könnte, der zwei Monate ziehen müsste. Allerdings war eben dieser Zaubertrank verboten und hoch gefährlich, so dass ihn keiner auf Vorrat hatte.
Ihr fiel keinen ein, zu dem sie ihre Schwester hätte bringen können. Keiner, den die Heiler nicht auch kannten. Sie zermarterte sich das Hirn um doch noch einen zu finden und da kam ihr die rettende Idee. Auch wenn Severus Snape Gianna verabscheute, war er ihre letzte Chance.
Sie hatte großes Glück, dass es gerade Sommer war, und dass sie genau wusste, wo Snape wohnte. Also apperierte sie nach Spinners End und fand einen recht verdutzen Snape vor sich. Sie freute sich zum ersten Mal überhaupt ihn zu sehen. Sie hielt sich nicht mit Erklärungen auf sondern sagte nur: „Gianna liegt im Sterben. Du musst ihr helfen Severus, du musst sie retten.“ Snape sah sie nur leicht verwirrt an. War sein Hass so weit ausgereift, dass er sie ohne weiteres sterben lassen würde? Shaya wusste es nicht.
Doch sie hatte keine Zeit mehr also beschloss sie ihn zu drängen. „Sie ist im achten Monat schwanger, Severus. Sie trägt ein Kind in sich. Wenn du sie nicht retten willst, dann das Kind.“, sagte sie nun mit starker undurchdringbarer Stimme. Snapes Augen weiteten sich für einen Moment, dann ging er in einen versteckten Raum und kam mit drei Phiolen wieder zurück.
Shaya wusste, sie hatte gewonnen und ein Ansatz eines Lächelns umspielte ihre Lippen. Dann griff sie nach Snapes Arm und brachte ihn zu Gianna. Dort machte sich der Tränke meister sofort an die Arbeit. Shaya lies ihn arbeiten. Sie sah selbstzufrieden aus. Sie hatte es geschafft, sie hatte ihre Schwester gerettet.
Snape brauchte keine Viertelstunde und Gianna öffnete die Augen. Sie sah zuerst ihn an, bestürzt und wütend, dann huschte ihr Blick zu Shaya und ihre Miene wurde liebevoll. Dann streichelte sie kurz über ihren Bauch.
Doch Snape hatte keine Zeit verloren. Er hatte sich vergewissert, dass es ihr wieder gut ging und war dann sofort wieder verschwunden. Shaya hatte sich noch bedanken wollen, aber er hatte ihr keine Gelegenheit dazu gegeben.
Die nächste Zeit war eine glückliche. Shaya bekam eine Nichte die den Namen Thyra Brooke Remith erhielt. Snape hatten sie seit seiner Heldentat nicht mehr gesehen. Erst als Thyra ein Jahr alt wurde, kam er plötzlich zu Gianna. Shaya passte an dem Abend auf Thyra auf, damit Gianna sich mit Snape aussprechen konnte.
Doch als die beiden auch gegen eins nicht mehr zurück gekommen waren, lies Shaya ihre Mutter bei der kleinen und ging Gianna suchen. Sie fand sie auf der Straße in der Nähe einer Bar. Sie lag auf dem Boden. Von Snape war keine Spur. Shaya rannte zu ihrer Schwester. Ihr Herz schlug noch ganz schwach.
Als sie Shaya sah, redete sie schnell. „Shaya, kümmere dich um Thyra. Lass nicht zu, dass ihr Vater sie nimmt. Ich hasse ihn, dass weißt du. Lass nicht zu dass Severus Snape meine Tochter in die Hände bekommt.“, sie flüsterte und es sah aus als kostete es sie ihre gesamte Kraft, diese Worte zu sagen. Shaya konnte nicht anders, sie versprach sich um ihre kleine Nichte zu kümmern. „Gut.“, flüsterte Gianna noch einmal. Dann schloss sie die Augen. „Ich liebe dich, Shaya. Vergiss das nicht. Niemals.“, sagte sie noch und dann wurde sie schlaff und reglos. Sie war Tod.
Tränen rannen über Shayas Wangen. Sie konnte sie nicht zurückhalten. Sie saß da auf der Straße und weinte um ihre Schwester. Noch während sie die grenzenlose Trauer überkam, schwoll auch eine Wut in ihr auf. Eine Wut auf Severus Snape. Sie war der Überzeugung, dass er es war, der den Tod ihrer Schwester herbeigerufen hatte.
Sie trug Giannas Körper nach Hause zu ihren Eltern. Zum Glück war Thyra am schlafen, so merkte sie nichts davon, dass ihre noch übrige Familie um ihre Mutter weinte und ihrem Vater Rache schwor.
Thyra wuchs bei Shaya auf. Sie betrachtete sie wie eine Mutter. Niemand erzählte ihr von ihrem Vater. Niemand erzählte ihr von dem Tod ihrer Mutter. Denn die einzigen Menschen, die davon wussten, würden dieses Geheimnis mit ins Grab nehmen.
FLASHBACK ENDE
Es klopfte und Shaya hob den Kopf. „Herein.“, sagte sie in neutraler Stimme. Die Tür wurde geöffnet und herein kam Thyra, die inzwischen schon elf Jahre alt war, mit einem Brief in der Hand. „Mum, ich hab den Brief bekommen. Ich bin in Hogwarts aufgenommen worden.“, rief sie freudig und rannte auf Shaya zu, um sie zu umarmen.
„Super, Schatzt, aber du weißt doch, dass du mich nicht so nennen sollst. Ich bin nicht deine Mutter.“, sagte die angesprochene leicht tadelnd. Thyra nickte nur ungeduldig. „Wann gehen wir denn in die Winkelgasse?“, fragte sie ganz aufgeregt ihre Tante. „Zieh dich an, dann können wir gleich los.“, sagte Shaya lächelnd. Sofort flitzte Thyra aus dem Raum, den Brief noch immer in ihrer Hand.
Shaya seufzte laut auf. Jetzt war es also passiert, ihre kleine Nichte, würde nach Hogwarts gehen. An die Schule, wo ihr Vater unterrichtete. Wo der Mörder ihrer Mutter den Schülern beibrachte Zaubertränke zusammen zu mischen. Sie hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde und auch hatte sie gewusst, dass sie, wenn es so weit war eine Lösung finden musste. Doch jetzt hatte sie andere Sorgen. Sie musste mit der aufgeregten Tochter ihrer Schwester Zaubersachen einkaufen gehen.
Sie musste allerdings stolz auf sich und auf ihre Schwester sein. Thyra hatte so gut wie gar nichts von Snape geerbt. Lediglich die schwarzen Haare und das undurchdringbare Gesicht, hatte sie von ihrem Vater. Sonst war sie ein höfliches, nettes und kreatives Mädchen, das sich mit fast allen schnell anfreundete. Ihre braunen Augen, hatte sei auch von ihrer Mutter und sie konnte mit eben jenen einen erstklassigen Hundeblick aufsetzen durch den sie bei allen, außer ihrer Tante alles bekam, was sie wollte.
2. Einkaufen
„Komm schon, Tante Shaya. Wir sind bestimmt schon zu spät.“, rief Thyra in einem quengelndem Tonfall. Sie gingen die Straße Richtung des tropfenden Kessels entlang und Shaya, die schon schneller ging, als sie es sonst täte, war für ihre Nichte noch immer zu langsam.
„Ganz ruhig Thyra, wir sind noch zu früh. Wir wollten erst in fünf Minuten da sein. Außerdem kommen sie doch immer zu spät, dass weißt du doch.“, sagte sie beschwichtigend zu dem kleinen Mädchen und nahm sie an die Hand. Manchmal war sie wirklich nerv tötend. Vor allem wenn sie aufgeregt war. Der tropfende Kessel kam in Sicht und Thyra machte Anstalten loszulaufen, doch ihre Tante hielt sie fest. „Bleib bei mir Thyra, wir sind noch früh genug da.“, sagte sie mit, wie sie hoffte, freundlichem und beruhigendem Ton.
Als sie endlich den Pub erreichten legte sich die Aufregung von Thyra etwas. Sie war noch nie hier gewesen und beobachte alles gespannt. Shaya setze sich auf einen Stuhl am Tresen, von wo sie Thyra immer im Auge behalten konnte, bei ihrer Entdeckungsreise. Sie wurde von Tom in ein Gespräch verwickelt, bei welchem sie nicht richtig zuhörte und nur Smal-Talk erwiderte.
Als die Personen, auf die Thyra so dringend wartete, zur Tür herein kamen, konnte Shaya sich losreißen. Doch ihre Nichte hatte sie ebenfalls bemerkt. Mit einem lauten Schrei lief sie auf ihren Onkel, ihre Tante und ihren Cousin zu. Shaya lächelte und ging ebenfalls auf ihren Bruder, seine Frau und ihren Neffen zu. „Hallo, Bruderherz. Silvana.“, begrüßte sie die beiden, während Thyra sich mit Elia unterhielt.
Shayas Neffe war ebenfalls elf, auch wenn er ein paar Monate jünger als Thyra war, sah man es ihm nicht an. Im Gegenteil, wenn man die beiden beobachtete, dann würde man darauf tippen, dass Elia etwa zwei Jahre älter wäre als seine Cousine.
Es freute Shaya, dass sich Thyra so gut mit Elia verstand. Auch wenn sich die beiden nur selten sahen, weil sie etwas weiter weg wohnten. Doch Jack und Silvana wohnten in Godrics Hollow, welches in einiger Entfernung zu Hogsmeat lag.
Das Dorf Hogsmeat hatte Shaya extra als Wohnort gewählt um Thyra auch in Hogwarts im Auge zu behalten. Doch sie hatte sorgsam darauf geachtet, dass weder sie noch Thyra aus dem Haus gingen, wenn die Schule einen Ausflug dorthin unternahm.
Sie nickte den beiden anderen Erwachsenen zu und sie gingen, die Kinder vor sich her schiebend, in die Winkelgasse. Als sich das Tor dorthin öffnete, staunten Thyra und Elia nicht schlecht. Beide waren noch nie zuvor in der Winkelgasse gewesen.
Während die fünf durch die Gasse liefen, hatte Shaya die Möglichkeit sich ein bisschen mit ihrem Bruder zu unterhalten. Unterdessen passte Silvana auf, dass die beiden kleinen nicht verloren gingen.
„wo habt ihr eigentlich Mercedes gelassen?“, fragte sie Jack interessiert. Ihre andere Nichte war fünf Jahre alt und total knuffig. „Die ist Zuhause bei der Babysitterin. Wir wollten sie ja mittnehmen, aber Elia meinte es sei ungerecht, dass er die Winkelgasse erst mit elf sehen durfte und sie schon mit fünf. Also haben wir sie da gelassen.“, erklärte er knapp.
Dann redete er etwas leiser. „Was ist denn jetzt mit Thyra? Sie hat keine Ahnung, oder?“, fragte er mit etwas Angst in der Stimme. Shaya sah in bestürzt an. „Wie schön, dass du mich für so verantwortungslos hältst.“, zischte sie leicht. Er hob abwehrend die Hände. „tut mir Leid, Sha. Ich hab nur gefragt.“ Doch dann mussten sie ihr Gespräch beenden, denn sie betraten den ersten Laden.
Die beiden Kinder waren so aufgeregt, dass sie den Erwachsenen kaum noch eine freie Minute ließen. „Tante Shaya, Kann ich dieses Buch haben, bitte?“, fragte Thyra und wedelte mit einem dicken Buch vor Shayas Nase herum. „Lass mich doch mal sehen, Thyra.“, bat diese ihre Nichte mit leicht genervter Stimme. Das Buch hieß: Die gefährlichen Kreaturen der Magie und die Wege sie zu besiegen. „Nein, ganz sicher nicht, mein Schatz.“, sagte sie und stellte das Buch wieder an seinen Platzt im Regal.
Thyra schaute enttäuscht. Doch Elia brachte sie auf andere Gedanken, indem er ihr ihre Schulbücher unter die Nase hielt. Zum allgemeinen erstaunen, war Thyra vor allem von Geschichte der Zauberei beeindruckt. Doch kaum waren sie wieder aus dem Buchladen, brachte Elia das nächste Problem.
„Shaya?“, fragte Thyra erneut laut und in fragendem Tonfall. „Bekomme ich eine Katze?“ fragte sie. Shaya starrte ihre Nichte an. Sie wollte eine Katze? Wollten die Kinder nicht sonst immer Eulen, oder hatte sie da etwas missverstanden? Doch wenn sie so darüber nachdachte, hatte Thyra noch nie Post bekommen und sie wohnten in Hogsmeat, was hieß, dass sie keine Eule brauchte. Also nickte Shaya nur. Sofort hüpfte ihre Nichte in die Höhe. „Juhu!! Danke Tante Shaya!“, rief sie.
Doch auch Jack war es nicht besser ergangen. „Dad?“, fragte Elia, kaum, dass Shaya ihr Einverständnis für eine Katze gegeben hatte. „Ich will eine Eule, darf ich?“, fragte er hoffnungsvoll. Doch es war seine Mutter die antwortete: „Mal sehen Schatzt.“, sagte sie liebevoll. Elia sah ein wenig enttäuscht aus, redete aber weiter mit Thyra.
Es wurde ein sehr anstrengender Tag, der dank Shayas Bruder gegen Ende noch schlimmer gemacht wurde. Ja die beiden hatten nie aufgehört sich wie großer Bruder und kleine Schwester zu behandeln. Sie neckten sich noch immer sehr gern. Also verdankte Shaya ihrem Bruder diese Situation.
„Onkel Jack hat ja gesagt.“, quengelte Thyra. Shaya sah zu ihrem Bruder und in ihren Augen stand geschrieben. Das wirst du mir noch büßen. Nun kam auch noch Elia zu ihr. „Ach bitte Tante Shaya, nur für eine Nacht. Wir fahren ja auch morgen schon nach Hogwarts, da ist es besser, wenn wir schon in Hogsmeat sind.“, sagte er in der gleichen Tonlage wie seine Cousine.
Shaya seufzte. „Nun gut, ihr Quälgeister, ich rede mit Jack.“, sagte sie. Die beiden schauten sich siegessicher an. „Du, bist ganz schön gerissen Bruderherz.“, sagte sie lächelnd zu ihm. „Ich erlaube es nur, wenn ihr morgen kommt und zwar alle, damit wir noch einen Nachmittag zusammen verbringen können.“, sagte sie dann doch.
Jacks Augen verengten sich zu schlitzen doch noch bevor er antworten konnte, mischte sich seine Frau mal wieder ein. „Ja, klar kommen wir.“, sagte sie nett. „Silvana, ich liebe dich.“, sagte Shaya und umarmte ihre Schwägerin. „Ich würde sagen bis morgen nicht war?“, sagte sie lächelnd.
Gerade als sie sich umdrehte murmelte Jack. „Du bist immer noch so frech, wie du es schon immer warst, Süße.“, Shaya lachte nur und ging zu den beiden um sie nach Hause zu bringen.
Die beiden spielten noch lange Zeit. Shaya machte sich nicht die Mühe sie ins Bett zu schicken, denn sie hatten den Luxus, am nächsten morgen so lange schlafen zu können, wie sie wollten, da sie erst gegen Abend am Bahnhof erscheinen mussten.
Sie saß unten, hörte wie die beiden spielten und sie war mal wieder stolz auf sich, dass sie es geschafft hatte Thyra alleine groß zu ziehen. Sie zu biegen und zurecht zu stutzen. Aber am meisten freute sie sich, dass sie es zehn Jahre geschafft hatte, vor Thyra das Geheimnis ihres Vaters geheim zu halten.
. Die Reise in die Hölle der Mutter.
Der Abend war ein Horror geworden. Die beiden hatten erst dann Ruhe gegeben, als Shaya gedroht hatte, Elia noch nach Hause zu bringen. Was ihr natürlich einige Lästereinen eingebracht hatte, die man von Kindern gewohnt war. Als sie eine fast schlaflose Nacht hinter sich gebracht hatte, stand Shaya schon früh auf und machte Frühstück. Ein richtiges Luxusfrühstück, so wie es in Hogwarts immer gab.
Dann ging sie extra noch schnell zum Honigtopf direkt gegenüber und kaufte zwei große Portionen Süßigkeiten ein. Die Packte sie den beiden mit einer Nachricht in die Koffer, die sie schon am Tag zuvor gepackt hatten. Thyras Besen, musste sie zuhause lassen, da es Erstklässlern verboten war einen in die Schule zu bringen. Dann schrieb sie einen Brief an Hagrid, indem sie fragte, wann genau sie die beiden am Bahnhof abgeben solle.
Schließlich ging sie hoch um die beiden zu wecken. Wie sie erwartet hatte, wollten weder Nichte noch Neffe aufstehen. Also ging sie wieder, machte aber beim hinausgehen, dass grelle Licht in Thyras Zimmer an. So machte sie es immer, wenn ihre Nichte nicht aufstehen wollte.
Sie saß unten und hackte auf einer Liste alles ab, was sie an dem heuteigen Tag noch machen musste. Damit war sie eine halbe Stunde beschäftigt. Dann fiel ihr auf, dass die beiden noch immer nicht unten waren.
Also stieg sie erneut die Treppen hinauf und dachte dabei darüber nach, nachher nochmal bei Jack anzurufen um die Uhrzeit ihres Eintreffens herauszufinden. Sie stand in Thyras offener Tür und klopfte trotzdem noch einmal gegen den Rahmen. Die beiden lagen mit den Köpfen unter den Kissen da und schliefen weiter. Shaya lächelte und ging wieder. Sie konnten noch eine Stunde liegen bleiben, wenn sie wollten.
Da klingelte es an der Tür. Sie schaute ein wenig überrascht drein. Wer konnte das sein? Hatte sie vielleicht Muggelpost bekommen? Nein konnte sie sich nicht vorstellen. Doch da kam ihr ein Einfall. Sie rannte die Treppen hinunter und öffnete die Tür. Davor stand ein zerzaust wirkender Jack, eine fröhliche Silvana und eine kleine, übers ganze Gesicht grinsende Mercedes. Shaya lachte laut auf, als sie ihren Verdacht bestätigt sah.
Ganz offenbar hatte Silvana Jack in aller Frühe aus dem Bett geworfen, um früh hier zu sein. Ja sie hatte die Frau ihres Bruders immer gemocht. Der einzige Nachteil war, dass Jack unausgeschlafen eine furchtbare Laune hatte. Das war schon immer so gewesen, schon in ihrer Kindheit. „Hi, ihr seid aber früh. Bist du zum Frühaufsteher mutiert, Brüderchen?“, fragte sie neckend und machte ihnen Platzt.
Jack funkelte sie nur an und trat dann, ohne ein Wort zu sagen ein. Silvana umarmte Shaya kurz und trat dann ebenfalls ein. Doch Mercedes begrüßte ihre Tante anders. „Tante Shaya!“, rief sie so laut, dass die beiden oben bestimmt wach geworden waren. Ihre blonden Engelslocken flogen um ihren Kopf als sie auf Shaya zu rannte.
Angesprochene breitete ihre Arme aus und lies ihre kleine Nichte hinein fliegen. „Na, meine Süße?“, fragte sie lächelnd und schaute in das niedliche Gesicht von Mercedes. „Jetzt hast du bestimmt deinen Bruder und deine Cousine aufgeweckt.“
Die kleine lachte nur laut und schallend auf. „Macht nichts. Lia schläft sowieso zu viel.“, sagte sie entschieden. Shaya lachte mit ihr und hörte hinter sich jemanden die Treppen hinunter kommen. Sie blickte sich um und sah Thyra und Elia, die beide, mit müden Gesichtern recht komisch aussahen. „Mensch Mercedes, kannst du nicht noch lauter brüllen?“, fragte Elia in ironischem Tonfall.
Alle Anwesenden mussten lachen. Shaya lies Mercedes runter und sie rannte sofort zu ihrem älteren Bruder. „Hallo, Lia.“, rief sie dabei. Thyra schaute von Mercedes zu einem Elia, der ziemlich rot geworden war. „Lia?“, fragte sie amüsiert. Elia schaute sie nicht an sondern wandte sich an seine Eltern. „Warum seid ihr denn schon so früh gekommen? Wir waren doch noch am schlafen.“
Jack sah aus als ob er etwas erwidern wollte, doch Shaya kam ihm zuvor. „Das ist der letzte Tag, wo wir noch zusammen sind, bevor ihr in die Schule geht, Eila. Deine Eltern wollten einfach so viel wie möglich davon haben, nicht war Jack?“, wandte sie sich an ihren Bruder.
Er brummte nur. Doch Silvana ging zu Elia und nahm ihn in den Arm. Elia sah so aus, als wäre ihm das peinlich, aber Thyra machte die Situation wett indem sie zu Shaya kam, sie in den Arm nahm und auf die Wange küsste. Ja manchmal hatte Shayas kleine Nichte mehr Taktgefühl, als so mancher anderer Erwachsener.
Es wurde ein schöner Nachmittag, bei dem die Kinder spielten und die Erwachsenen sich unterhielten. Mercedes war immer schon eine kleine Nervensäge gewesen, wie das so in dem Alter war. Doch Thyra schaffte es sie jedes Mal zu beruhigen.
„Und du wohnst jetzt trotzdem weiter hier, wenn Thyra in Hogwarts ist?“, fragte Silvana Shaya ein wenig besorgt. Diese nickte nur. „Ja, ich muss es tun, um für sie da zu sein, wenn sie mich braucht.“, antwortete sie ernst. Doch in Gedanken dachte sie den Satz weiter. …und das dürfte schon sehr bald der Fall sein. Silvana nickte nur. „Das ist wirklich nett von dir.“, sagte sie noch, aber in einem Ton, als wäre das Thema jetzt abgeschlossen.
Als schon fast der Abend anbrach, trat die Aufregung bei den beiden elfjährigen wieder so stark in den Vordergrund, dass an spielen nicht mehr zu denken war. Nun schienen sich auch die Ängste breit zu machen, die fast jedes Kind vor dem Eintreffen in Hogwarts hatte. Die Häuserwahl. Elia saß bei seinen Eltern auf dem Schoß, Thyra saß bei Shaya auf dem Schoß.
„Tante Shaya, ich habe Angst.“, flüsterte Thyra ihrem Vormund zu. Shaya drückte sie an sich. „Du musst keine Angst haben, mein Schatz. Es wird alles gut werden.“, sie hatte Thyra, um sie nicht unter Druck zu stellen, nicht gesagt, in welchem Haus sie gewesen war. „Shaya, sagst du mir bitte, bitte, in welchem Haus du gewesen bist, als du in Hogwarts warst?“, fragte Thyra hoffnungsvoll.
Shaya überlegte, ob sie es sagen sollte. „Ich war in Ravenclaw, aber deine Mutter war in Gryffindor. Auch Onkel Jack, war in Ravenclaw.“, verriet sie dann doch. Thyra schaute ein wenig fröhlicher. „Ich hoffe ich komme nach Ravenclaw.“, sagte sie dann mit leiser Stimme. Shaya hielt es nicht für ratsam ihr mitzuteilen, dass sie das nicht glaubte, also strich sie mit ihrer Hand über Thyras Haar.
Als en anfing zu dämmern begannen die beiden sich anzuziehen. Hagrid würde sie abholen, bevor er die anderen vom Bahnsteig abholte. So standen die beiden da, fest eingemummelt in ihre Klamotten und ihre schweren Koffer hinter sich herziehend. Thyra und Elia standen am Fenster und warteten ob Hagrid endlich kommen würde. Als sie seine Große Gestallt am anderen Ende der Straße sahen flitzten die baldigen Erstklässler noch ein letztes Mal zu ihren Eltern zurück. Thyra hatte Tränen in den Augen, als sie Shaya umarmte. „Du, musst mir jeden Tag einen Brief schreiben.“, bat sie ihre Tante. Shaya nickte nur. Dann rannte Thyra noch einmal zu Jack und Silvana um sich auch von ihnen zu verabschieden. Elia kam zu Shaya. „Bis bald, Tante Shaya.“, sagte er ein wenig leise. Sie drückte ihn an sich. „Pass auf Thyra auf Elia.“, flüsterte sie ihm zu, war sich aber nicht sicher ob er es gehört hatte.
Dann klopfte es an die Tür und Hagrid kam herein. „Shaya.“, er nickte ihr zu. „Hallo, Hagrid.“, begrüßte Shaya den Wildhüter. Dann schob sie Thyra zu ihm hin. Sie rannte auch sofort zu ihm, um ihn zu begrüßen. „Hi, Hagrid. Es ist endlich so weit. Heute komm ich endlich nach Hogwarts.“, rief sie ihm zu. Elia hielt sich etwas im Hintergrund, er hatte Hagrid noch nie zuvor gesehen.
Doch Silvana nahm ihn an die Hand und brachte ihn zu dem Halbriesen. „Das ist Hagrid, Elia. Der ist total nett. Er wird dich und Thyra nach Hogwarts bringen.“, erklärte sie ihrem Sohn lächelnd. „Ja und wir müssen uns ein bisschen beeilen, der Zug kommt in zehn Minuten an und wir müssen eher da sein.“, sagte Hagrid. „Komm schon, Elia. Ich kenne Hagrid, er kommt öfters hierher. Er ist nett.“, machte Thyra ihrem Cousin Mut.
Schließlich ging Elia dann doch mit Hagrid mit und die beiden ließen die Erwachsenen hinter sich. Mercedes weinte laut, als sie ihren Bruder gehen sah. Doch Jack schaffte es sie zu beruhigen. Silvana redete mit Shaya. „So schnell vergeht die Zeit, nicht war. Aber sie werden es schon schaffen.“ Shaya nickte. Sie hatte sich vor diesem Tag gefürchtet, hatte aber gewusst, dass sie nichts ändern konnte. „Ich hoffe nur, das Thyra nicht nach Slytherin kommt. Dort wäre sie ihrem Vater zu nahe.“, sagte sie dann. Silvana nickte und nahm ihre Schwägerin in den Arm.